ÖGERN-Statement zu „Telemedizin in Österreich: Der Notarzt muss immer vor Ort sein“
In Ergänzung zum Beitrag in der RETTUNGSDIENST 7/2016 „Telemedizin in Österreich: Der Notarzt muss immer vor Ort sein“ ist der ÖGERN folgende Klarstellung wichtig:
Im österreichischen Sanitätergesetz (SanG) sind die Notfallkompetenzen im Gegensatz zur Rechtslage in der BRD ausdrücklich und taxativ, also abschließend, geregelt (§§ 11, 12 SanG). Wann der Sanitäter/die Sanitäterin einen Notarzt beizuziehen hat, ist grundsätzlich in § 4 SanG geregelt: „…Nötigenfalls ist ein Notarzt oder, wenn ein solcher nicht zur Verfügung steht, ein sonstiger zur selbständigen Berufsausübung berechtigter Arzt anzufordern“.
Von „anfordern“ spricht das SanG auch bei den sogenannten lebensrettenden Sofortmaßnahmen (v.a. Reanimation inkl. halbautomatischer Defibrillation) in § 9, der für alle Kompetenzstufen gilt: „Eine unverzügliche Anforderung des Notarztes ist zu veranlassen“. Bei den (allgemeinen, interpretativ wohl auch besonderen Notfallkompetenzen) spricht der Gesetzgeber hingegen von „verständigen“ (§ 11 SanG: „die Anweisung eines anwesenden Arztes oder sofern ein Arzt nicht anwesend ist, die vorangehende Verständigung des Notarztes oder die Veranlassung derselben“).
Die Aussage „Der Notarzt muss immer vor Ort sein“ stimmt demnach jedenfalls für invasive medizinische Maßnahmen, die nicht von den bestehenden Notfallkompetenzen umfasst sind. In der Praxis wäre das derzeit etwa eine Thoraxentlastungspunktion, ein intraossärer Zugang oder die Verabreichung eines nicht in einer der beiden Arzneimittellisten angeführten Medikamentes.
Bei der klassischen Anwendung einer Notfallkompetenz kann diese Aussage (vorletzter Absatz des Beitrages: „In jedem Fall müsse der Notarzt aber zum Einsatzort kommen…“) mangels eindeutiger Rechtslage („anfordern“ vs. „verständigen“) nicht in dieser Klarheit aufrecht gehalten werden. In diesem Zusammenhang ist zu erwähnen, dass unter einschlägigen Juristen Uneinigkeit hierüber herrscht, ob die Anwendung einer Notfallkompetenz eine zwingende Notarztbeiziehung zur Folge hat oder nicht.
Grundsätzlich obliegt es dem selbständig und eigenverantwortlich vor Ort tätigen Sanitäter im Einzelfall und aufgrund des Patientenzustandes zu entscheiden, ob die Anwendung der Notfallkompetenz den Patienten ausreichend stabilisiert, sodass der Transport ohne Arztbegleitung möglich ist bzw. das schnellere Eintreffen im Krankenhaus dem Abwarten vor Ort vorzuziehen ist oder aber der Notarzt anzufordern ist, um die Transportfähigkeit herzustellen.
Im Hinblick auf die große praktische Relevanz dieser Unterscheidung, auch im Hinblick auf die Vermeidung unnötiger Alarmierungen der begrenzten Notarztmittel, ist uns diese Klarstellung wichtig. Diese Stellungnahme wird auch in der RETTUNGSDIENST 9/2016 abgedruckt sein.
Für ÖGERN zeichnet,
Stefan Koppensteiner (Link)
Link: SK-Verlag (Herausgeber RETTUNGSDIENST – Zeitschrift für präklinische Notfallmedizin)
ÖGERN-Stellungnahme zu Telemedizin im Rettungs- und Notarztdienst (05/2016)