Rückblick auf das 5. ÖGERN Symposium 2017

Die rund 250 Teilnehmenden aus allen neun Bundesländern Österreichs trafen pünktlich ein, sodass Michael Halmich seine Eröffnungsworte als Vorsitzender der ÖGERN um 12:30 Uhr starten konnte. Nach kurzen Erläuterungen, warum genau die JKU Linz als Austragungsort gewählt wurde, begrüßte Vizerektor für Lehre und Studierende Andreas Janko das Publikum und wünschte dem Symposium gutes Gelingen. Die Moderatorin des 1. Blockes, Dagmar Schaffler-Schaden, übernahm das Wort und führte über zum erste fachlichen Input.

Block 1

Am Beginn standen grundrechtliche Rahmenbedingungen zu Freiheits- und Sicherheitsaspekten. Die Dekain der rechtswissenschaftlichen Fakultät der JKU Linz und zugleich ausgewiesene Grund- und Menschenrechtsexpertin Katharina Pabel konnte dabei den Bogen von der Europäischen Menschenrechtskonvention bis hin zu einfachgesetzlichen Grundlagen – etwa dem Unterbringungsgesetz und dem Heimaufenthaltsgesetz – spannen. Ihr folgte Jürgen Wallner, ein in Österreich und darüber hinaus anerkannter Experte auf dem Gebiet der Rechts- und Medizinethik. Seine Ausführungen zu „Ethische Aspekte zu freiheitsbeschränkenden Schutzmaßnahmen“ beinhalteten eine Gegenüberstellung der Willkür im Vergleich zur Autonomie und auch Ausführungen zum Verhältnismäßigkeitsprinzip. Im Rahmen der im Anschluss stattgefundenen Diskussion konnten Einblicke in die klinische ethische Fallarbeit gegeben und auch erläutert werden, wie sich grundrechtliche Schutzvorschriften in der Praxis umsetzen lassen und welche Handlungspflichten daraus für den Staat abgeleitet werden. Nach einer 30-minütien Pause übernahm Stefan Koppensteiner die Moderation im Block 2.

Block 2

Das erste Referat im 2. Block ging der Frage nach, ob die Regelungen des Unterbringungsgesetzes bei jeglichen psychiatrischen Notfällen im Rettungs- und Polizeieinsatz zum Ziel führen. Maximilian Burkowski und Michael Halmich, beide Sanitäter und Juristen, wechselten sich bei der Lösung zweier Fallbeispiele ab und gaben Einblicke in Möglichkeiten und Grenzen der jeweiligen gesetzlichen Grundlagen. Die Spannungsfelder, die hierbei eröffnet werden, sind nicht zu übersehen und führen in der Praxis auch zu großer Unsicherheit der handelnden Einsatzkräfte. Die im Anschluss stattgefundene Diskussion führte zu etwas mehr an Klarheit für die tagtäglich Handelnden.

 

Im Anschlus an die juristischen Ausführungen gab Adelheid Kastner, über die Grenzen hinaus anerkannte Sachverständige auf dem Gebiet der forensischen Psychiatrie, Einblicke in die Gefährlichkeitseinschätzung akut psychisch Erkrankter aus fachärztlich-psychiatrischer Sicht. Dabei war ihr wichtig zu erwähnen, dass Prognoseentscheidungen nichts mit „Wahrsagerei“ zu tun haben, sondern auf Parametern beruhen, die vordergründig in der Vergangenheit der Personen zu finden sind. Spannende Einblicke, in welchen Versorgungsstrukturen psychisch erkrankte Personen mit dem höchsten Gewaltpotential aufhältig sind und wie eine Unterbringung mit dem Maßnahmenvollzug zusammehänge, folgten. Das dritte Referat im 2. Block bestritt Rudolf Keplinger vom Rechtsbüro der Landespolizeidirektion Oberösterreich. Als Leiter dieser Abteilung ist er immer wieder mit Fragestellungen rund um die Polizeikompetenzen bei Unterbringungen konfrontiert. Durch seine Analyse der Rechtsgrundlagen für Polizisten kam er zum Schluss, dass die Normen des Unterbringungsrechts nicht mit den Befugnissen nach dem Sicherheitspolizeigesetz übereinstimmten und demnach die Polizeibefugnisse als unklar und missverständlich einzustufen sind. Im Rahmen der Diskussionen wurden Fragen zur Behandlungsablehnung durch psychisch/kognitiv beeinträchtige Personen, zu den Aufgaben und Grenzen einer stationär-psychiatrischen Versorgung und zu den Polizeikompetenzen nach Übergabe in der (geschlossenen) Psychiatrie beantwortet.

Block 3

Nach einer erneuten Stärkung konnte Wolfgang Kröll die Teilnehmenden wieder im Saal begrüßen und den nächsten Block anmoderieren. Gerald Bodner und Klaus Hellwagner, beide Ärzte mit unterschiedlichen Betätigungsfeldern, zeigten im Rahmen eines Rollenspiels, dass der präklinische Umgang mit betrunkenen Personen, die eine dringende Behandlung benötigen, diese aber nicht dulden, eine Gratwanderung ist. Dabei versuchte Klaus Hellwagner die notärztliche Sicht und Gerald Bodner die polizeiärztliche Sicht wiederzugeben und auch die unterschiedlichen Befugnisse und Kompetenzen darzustellen. So wurde dem Publikum veranschaulicht, dass hier eine „Rezeptur für ein standardisiertes Vorgehen“ nicht möglich ist, sondern stets individuell eine Entscheidung getroffen werden muss.

Unmittelbar danach hat Stefan Koppensteiner, zuvor als „betrunkener Figurant“ eingesetzt, das Wort ergriffen. Als Richter und Sanitäter ging er der Frage nach, ob auf jedem Einsatzfahrzeug nun ein Notfalljurist einzusetzen sei, damit derartige Szenarien in der Praxis überhaupt bewältigt werden können. Durch seine Ausführungen wurde klar, dass neben juristischem Basiswissen, das ein jeder Gesundheitsberufsangehöriger haben sollte, auch das „Bauchgefühl“ nicht außer Acht gelassen werden darf, da dieses dabei behilflich ist, im Einzelfall gute Entscheidungen zum Wohle des Patienten treffen zu können. Eine Gewaltanwendung durch Sanitäter lehnte er – außer in Fällen der Notwehr/Nothilfe – ab. Nach diesem durchaus klarem Statement übernahm Christian Bürger vom NÖ Landesverein für Sachwalterschaft und Bewohnervertretung das Wort und erläuterte, welcher Patienten-/Bewohnerschutz gelte, wenn Personen in Pflege- und Betreuungseinrichtungen eskalieren. Dabei zog er eine Trennlinie zwischen der Anwendung des Unterbringungsgesetzes und des Heimaufenthaltsgesetzes und legte auch offen, dass es in diversen Konstellationen auch zu überhaupt keinem Rechtschutz komme. Ein juristischer Vortrag mit wenig Text und viel Animationen, der dafür sorte, dass sich die Teilnehmenden viel mitnehmen konnten.

Die im Anschluss geführte Diskussion handelte nicht nur vom 2. Erwachsenenschutzgesetz, welches mit Juli 2018 in Kraft treten wird, sondern auch von den Rahmenbedingungen einer präklinischen „Zwangsmedikation“ zur unmittelbaren Gefahrenabwehr und fehlender (schonenderer) Alternativen.

Block 4

Nach einer letzten Stärkung des Publikums stellte Patientenanwältin Christine Müllner-Lacher den Rechtschutz von psychisch Erkrankten anhand des Unterbringungsgesetzes vor und kritisierte auch den Einsatz privater Sicherheitsdienste (in Uniform!) auf psychiatrischen Abteilungen. Den Abschluss machte Alois Birklbauer, Universitätsprofessor für Strafrecht mit Schwerpunkt Medizinstrafrecht, der wiedergab, unter welchen Aspekten Behördenmitarbeiter und Angehörige diverser Gesundheitsberufe eine Anzeige bei psychisch Erkrankten zu erstatten haben und wie dies mit der Verschwiegenheitspflicht in Einklang zu bringen ist. Zentrale Aussage: Die Normen der unterschiedlichen Gesundheitsberufe sind nicht einheitlich und sollten – aus Gründen der Klarheit – angeglichen werden. Im Rahmen der Diskussion wurde auch auf den Entwurf des Justizministers zur Adaptierung des Maßnahmenvollzugsrechts eingegangen.

Klaus Hellwagner vom ÖGERN-Vorstandsteam bedankte sich am Schluss der Veranstaltung bei allen Anwesenden, kündigte das 6. Symposium im November 2018 an der FH St. Pölten an und wünsche eine sichere Heimreise!

Alles in allem eine sehr gelungene Veranstaltung, die auch durch ein bestens eingehaltenes Zeitmanagement ohne Verzögerungen abgehalten werden konnte. Wir bedanken uns an dieser Stelle bereits für die zahlreichen positiven Feedbacks während der Veranstaltung.

Nun arbeitet das Team der ÖGERN gemeinsam mit den Referentinnen und Referenten an der Erstellung des 5. ÖGERN-Tagungsbandes. Dieser ist im Jänner 2018 erschienen (Bestelllink).

Programm 5. Symposium

Übersicht Referenten-Team 5. Symposium