Sterbehilfe neuerlich in Diskussion – Gedanken dazu von Andreas Klein
Man kann es als durchaus begrüßenswert erachten, dass das Thema Sterbehilfe, das ein enorm emotionales Potenzial entfaltet, neuerlich in den Fokus der öffentlichen Aufmerksamkeit getreten ist, so Dozent Andreas Klein in seinem aktuellen Beitrag zu diesem Thema.
Dafür gibt es laut ihm mehrere Gründe: Das Urteil des deutschen Bundesverfassungsgerichts vom Aschermittwoch 2020 hat international (auch in Österreich) erhebliche Beachtung gefunden, da damit nicht nur die Beihilfe zum Suizid – wie schon im Herbst 2015 im Bundestag – (neuerlich) als grundsätzlich legitim erachtet wird, sondern nun darüber hinaus auch die gewerbsmäßige Unterstützung und Förderung (wie etwa in der Schweiz). Dabei wird vom BVG aufgrund bzw. zugunsten der Selbstbestimmung der Betroffenen als zentrales Kriterium argumentiert. Das hat Signalwirkung! Des Weiteren sind auch in Österreich Verfahren beim Verfassungsgerichtshof anhängig, da einige Personen Beschwerde gegen die österreichische Regelung eingebracht haben, weil § 78 StGB die Beihilfe zum Suizid (wörtlich: Mitwirkung am Selbstmord) unter Strafe stellt. Hier scheint ein Urteil nicht vor Juni 2020 erwartbar, gleichwohl dürfte das deutsche Urteil dabei durchaus nicht unberücksichtigt bleiben. Schließlich sind derzeit einige Initiativen in Österreich sichtbar, die entweder eine Neuregelung und damit Liberalisierung fordern oder gerade umgekehrt die aktuelle Rechtslage in keinster Weise aufweichen möchten. Letztgenannte Initiativen treten derzeit auch verstärkt öffentlich in Erscheinung und mobilisieren für durchwegs konservative Haltungen. Demgegenüber – und das wird gelegentlich unterschlagen und ist für diese Diskussion erheblich – hat bereits 2015 die Österreichische Bioethikkommission („Sterben in Würde“) mehrheitlich für eine Liberalisierung der Beihilfe zum Suizid ausgesprochen (ein Einzelvotum des Philosophen Peter Kampits sogar für aktive Sterbehilfe).
Im Beitrag beleuchtet Dozent Klein Hintergründe der Sterbehilfe, geht Differenzierungen in der Begründung der jeweiligen Positionen nach und klärt auch die relevanten Begriffe. Am Ende steht eine umfassende ethische Reflexion mit abschließender Bemerkung. Ein Auszug:
„Eine kategorische Ablehnung der Suizidbeihilfe lässt sich in ethischer Hinsicht kaum überzeugend argumentieren. Darüber hinaus würden die meisten Gründe für eine Legalisierung der Suizidbeihilfe sogar für eine Öffnung zur aktiven Sterbehilfe sprechen. Auch von philosophischer Seite wird etwa gefragt, ob es nicht einer Diskriminierung gleichkommt, wenn Menschen von diesen Optionen ausgenommen werden, nur weil sie selbst nicht mehr zur letzten Tathandlung fähig sind. In jedem Fall sind adäquate und transparente Rahmenbedingungen unabdingbar, die ethischen Aspekten korrelieren und Missbrauch so weit als möglich ausschließen. Ob jeder Missbrauch ausgeschlossen werden kann, ist zwar fraglich, aber auch nicht spezifisch für diese Fragestellung. Ethisch betrachtet muss sich auch der Staat die Frage gefallen lassen, woher er eigentlich die Rechtfertigung bezieht, in so fundamentalen persönlichen Bereichen drastische Einschränkungen der Selbstbestimmung vorzunehmen. Peter Kampits, ehemaliger Dekan der philosophischen Fakultät Wien und Mitglied der Bioethikkommission, hat stets betont, „dass weder der Staat noch sonst eine Institution an meinem Sterbebett etwas zu suchen hat!“ Der Philosoph und Ethiker Ronald Dworkin geht noch einen Schritt weiter und bezeichnet es geradezu als „menschenverachtende Tyrannei“ (devastating, odious form of tyranny), dass ein Mensch gewissermaßen gezwungen wird, auf eine bestimmte Art und Weise zu sterben, die zwar nach Meinung anderer richtig erscheinen mag, für ihn selbst aber im gravierenden Widerspruch steht.
Beitrag von Doz. Andreas Klein in Vollversion (März 2020)
Zum Autor:
Privatdozent Univ.Lektor Dr. Andreas Klein, Wien
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